3,5 Grad Erwärmung: UNESCO-Welterbe Grube Messel liefert Einblick in Klimadynamik
Untersuchung an Maar-Sedimenten zeigt rapide Temperaturerhöhung vor etwa 47 Millionen Jahren
Forschende des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums Frankfurt (SBiK-F) und von Partneruniversitäten haben einen Temperaturanstieg vor etwa 47 Millionen Jahren während des Eozäns untersucht. Die Analyse von Sedimenten des UNESCO-Welterbes Grube Messel zeigt, dass die Freisetzung von Treibhausgasen und orbitale Einflüsse zu einer rapiden Erwärmung von bis zu 3,5 Grad Celsius geführt haben. Die im Fachjournal „Nature Communications“ erschienene Studie belegt, dass auch moderate Temperaturerhöhungen erhebliche Auswirkungen auf Ökosysteme haben können. Die Ergebnisse dienen als Warnung für die heutigen Herausforderungen der globalen Erwärmung.
Weiträumige Migrationsbewegungen verschiedener Tierarten, Versauerung der Ozeane und ein Artenschwund von bis zu 50 Prozent bei im Meer lebenden Einzellern – dies waren nur einige der Folgen einer massiven Kohlenstofffreisetzung während des Paläozän/Eozän-Temperaturmaximums (PETM) vor etwa 55 Millionen Jahren, bei welchem sich die globale Temperatur innerhalb von wenigen tausend Jahren um bis zu sechs Grad Celsius erhöhte. „Dieses spektakuläre Hyperthermal-Ereignis in unserer Erdgeschichte ist aufgrund seines Umfangs und der massiven Auswirkungen in vielerlei Hinsicht einzigartig. Doch nach diesem – aus geologischer Sicht – einschneidendem Vorfall erfuhr unser Planet im Eozän zahlreiche, kleinere Hyperthermal-Ereignisse von denen viele bis heute wenig bis gar nicht erforscht sind. Sie gelten als ein wiederkehrendes charakteristisches Merkmal des Eozän-Treibhausklimas über mehrere Millionen Jahre hinweg“, erklärt Prof. Dr. Andreas Mulch vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum Frankfurt (SBiK-F).
Federführend durch Erstautor der Studie und Doktorand bei SBiK-F Clemens Schmitt haben Mulch und weitere Forschende von SBiK-F sowie der Goethe-Universität Frankfurt, der Freien Universität Berlin und der Universität Heidelberg einen solchen Temperaturanstieg zur Zeit des Eozäns vor etwa 47 Millionen Jahren untersucht. Dafür verwendete das Wissenschaftsteam terrestrische Biomarker – fossil erhaltene organische Moleküle – und Kohlenstoffisotope aus Sedimenten des UNESCO-Welterbes Grube Messel. „Die hessische Fossilienfundstelle bietet uns nicht nur exzellent erhaltene Versteinerungen aus dem Eozän, die Bohrkerne aus dem ehemaligen Maar-See erlauben auch eine bisher noch nie erreichte Auflösung der terrestrischen Temperaturrekonstruktion“, erläutert Schmitt und fährt fort: „Unsere Ergebnisse zeigen eine rapide Erwärmung von 3,5 Grad Celsius vor 47 Millionen Jahren während eines vermeintlich kleinen Hyperthermal-Ereignisses. Wir gehen davon aus, dass zwei Komponenten für diese Erwärmung verantwortlich sind: die massive Freisetzung von Treibhausgasen in das Atmosphäre-Ozean-System sowie orbitale Einflüsse in Form von langperiodischen Veränderungen der globalen Verteilung der auf der Erde eintreffenden Sonnenstrahlung.“
Die Auswertung der Daten aus dem Messel-Maarsee unterstreichen nicht nur das Ausmaß der kontinentalen Erwärmung, sondern auch, dass die mitteleuropäischen Temperaturen während dieses Hyperthermal-Ereignisses auf kürzeren Zeitskalen (wenige hundert Jahre) ebenfalls erheblich – bis zu 3 Grad Celsius – schwankten, so die Forschenden in ihrer Studie.
„Auch wenn dieses eozäne Ereignis im Vergleich zum Paläozän/Eozän-Temperaturmaximum eher ‚moderat‘ wirkt, zeigen unsere Analysen, dass deutlich geringere Mengen an Treibhausgasfreisetzungen eine Erwärmung von bis zu 3,5 Grad Celsius nach sich zogen und als Folge massive Auswirkungen auf die Ökosysteme des Maar-Sees hatten. Die Analyse solcher Zeitabschnitte der Erdgeschichte macht aber auch deutlich, dass selbst vermeintlich geringe Veränderungen im Kohlenstoffhaushalt der Erde signifikante Temperaturerhöhung nach sich ziehen können. So nehmen sie direkt Einfluss auf zahlreiche Funktionen des Erdsystems – ähnlich der globalen Erwärmung heute“, schließt Mulch.