Baumschützerin mit Spürnase: Die Holzwespen-Schlupfwespe wird „Insekt des Jahres 2025“ in Deutschland, Österreich und der Schweiz
Die Generaldirektorin des Naturhistorischen Museums Wien, Dr. Katrin Vohland, übernimmt die Schirmherrschaft
Heute wurde die Holzwespen-Schlupfwespe (Rhyssa persuasoria) zum „Insekt des Jahres 2025“ gekürt. Das Kuratorium unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Thomas Schmitt, Senckenberg Deutsches Entomologisches Institut in Müncheberg, wählte die zu den Taillenwespen gehörende Art aus einer Reihe von Vorschlägen. Das Insekt ist besonders für die Forstwirtschaft nützlich, da seine Larven die Larven der holzschädigenden Holzwespen parasitieren und so deren Bestand regulieren. Daher wurde die Holzwespen-Schlupfwespe auch gezielt zur biologischen Schädlingsbekämpfung in anderen Regionen der Welt angesiedelt. Die Schirmherrschaft für das „Insekt des Jahres 2025“ übernimmt die Generaldirektorin des Naturhistorischen Museums Wien Dr. Katrin Vohland.
Rot-schwarze Beine, ein graziler bis zu 35 Millimeter langer, dunkel gefärbter Körper mit weißen Tupfen und lange vielgliedrige Fühler: Die Holzwespen-Schlupfwespe lässt sich anhand ihres Erscheinungsbildes sehr gut von anderen Insektenarten unterscheiden. „Aber auch das Verhalten von Rhyssa persuasoria ist ganz besonders: Der Nachwuchs des Insekts ernährt sich von Larven der Holzwespen und trägt so dazu dabei, den Bestand dieser für unsere Forstwirtschaft schädlichen Tiere zu kontrollieren“, erläutert Kuratoriumsvorsitzender Prof. Dr. Thomas Schmitt, Direktor des Senckenberg Deutschen Entomologischen Instituts in Müncheberg die Wahl zum „Insekt des Jahres 2025“.
Das Weibchen der Holzwespen-Schlupfwespe, das vorwiegend in Nadelwäldern zu finden ist, verfügt über einen schlanken Legebohrer, der die Länge ihres Körpers übertrifft und der lang nach hinten über den Hinterleib vorragt. Mit diesem Legeapparat legt das Insekt je ein Ei auf eine tief im Holz verborgenen Larve der Holzwespe ab. „Obwohl die Präsenz der Larven von außen nicht erkennbar ist, wählt das Weibchen der Holzwespen-Schlupfwespe mit beachtlicher Sicherheit ihre Einstichstelle zur Eiablage“, erklärt Schmitt und fährt fort: „Rhyssa persuasoria erkennt die von Holzwespen befallenen Bäume erstaunlicherweise am Geruch. Sie riecht zwar nicht die Wespenlarve selbst, aber die von ihr mitgebrachten, holzabbauenden Pilze, wie beispielsweise den Braunfilzigen Schichtpilz, mit deren Hilfe die Holzwespenlarven das Holz verdauen können.“
Für die bis zu 30 Minuten dauernde Bohrung streckt das Weibchen seinen langgestreckten Hinterleib nach oben und bringt den Legebohrer in eine nahezu senkrechte Stellung. Ist das Ziel erreicht, wird das langgestreckte Ei auf den Wirt – die Holzwespenlarve – abgelegt. „Während der ersten drei Larvenstadien verankert sich die ektoparasitoide Holzwespen-Schlupfwespe mit ihren langen, sichelförmigen Mandibeln in der befallenen Larve und ernährt sich von der austretenden Körperflüssigkeit. Im vierten Larvenstadium wird die Wirtslarve dann komplett aufgefressen. Insgesamt dauert es etwa fünf Wochen, bis die ausgewachsene Larve einen dünnen Kokon im Fraßgang der Holzwespenlarve spinnt und darin überwintert“, ergänzt der Müncheberger Insektenforscher. Die erwachsenen Tiere fliegen vom späten Frühjahr bis in den Spätsommer in Wäldern und ernähren sich von Honigtau oder vom Saft der Kiefernnadeln.
Mit weltweit über 23.000 beschriebenen Arten stellen Schlupfwespen die artenreichste Hautflügler-Familie dar. Durch die parasitoide Lebensweise, die zwangsläufig zum Tod des Wirtes führt, spielen sie eine zentrale Rolle im Ökosystem, indem sie auf natürliche Weise zur Regulation von Insektenpopulationen beitragen und somit das ökologische Gleichgewicht erhalten.
In der Nordhemisphäre ist die Holzwespen-Schlupfwespe eine weit verbreitete Schlupfwespenart. Aufgrund ihrer Eignung zur natürlichen Kontrolle von Baumschädlingen wurde sie in Südamerika, Neuseeland und Australien gezielt zur Bekämpfung der eingeschleppten Blauen Fichtenholzwespe angesiedelt.
„Rhyssa persuasoria ist ein Paradebeispiel für die Komplexität und Schönheit unserer Ökosysteme. Sie zeigt, wie selbst kleine Lebewesen einen großen Einfluss auf die Natur haben können – die Holzwespen-Schlupfwespe leistet einen positiven Beitrag zur Kontrolle der für die Holzwirtschaft problematischen Holzwespen. Auf diese Weise unterstützt das ‚Insekt des Jahres 2025‘ die Forstwirtschaft, verringert die Notwendigkeit für menschliche Eingriffe und den Einsatz chemischer Mittel und kann so langfristig die biologische Vielfalt fördern“, freut sich Schirmherrin Vohland über die Wahl.
Das Insekt des Jahres wird seit 1999 gekürt. Die Idee hierzu stammte vom Prof. Dr. Holger Dathe, damaliger Leiter des heutigen Senckenberg Deutschen Entomologischen Instituts in Müncheberg. Ein Kuratorium, dem namhafte Insektenkundler*innen und Vertreter*innen wissenschaftlicher Institutionen angehören, wählt das Insekt jedes Jahr aus verschiedenen Vorschlägen aus.