Die Bestände der eigentlich sehr häufigen Wiesenschaumzikade (Philaenus spumarius) sind laut der Studie zurückgegangen.

Ausgezirpt


In der April- Ausgabe der vom Bundesamt für Naturschutz herausgegebenen Zeitschrift „Natur und Landschaft“ stellen Senckenberg-Forschende einen drastischen Biomasseverlust bei Zikaden in Deutschland fest. Über einen Zeitraum von 40 bis 60 Jahren beträgt der Rückgang für Zikadenpopulationen auf Trockenrasen in Ostdeutschland 54 Prozent und liegt auf Feuchtgrünland in Niedersachsen sogar bei 78 Prozent. Das Team vermutet als Gründe die intensive Landwirtschaft inklusive der Pestizidanwendung und gibt konkrete Handlungs-empfehlungen zum Schutz der Insekten.

Zikaden oder Zirpen sind – insbesondere in den Mittelmeerländern – für ihren intensiven „Gesang“ bekannt und mitunter auch gefürchtet. „In Deutschland gibt es drei Arten, die für uns Menschen hörbare Laute erzeugen, weit weniger bekannt sind weitere etwa 650 hierzulande vorkommenden Arten. Sie sind recht klein und äußerst flüchtig, aber es gibt für jeden Lebensraum angepasste Arten. Für viele dieser Spezialisten verzeichnen wir drastische Verluste“, erklärt Dr. Sebastian Schuch vom Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz.

Gemeinsam mit deutschen Forschenden hat Schuch die Entwicklung der Zikadenpopulationen über einen Zeitraum von sechs Jahrzehnten auf 26 Flächen in Ostdeutschland und 10 Flächen in Niedersachsen untersucht. „Unsere Ergebnisse sind alarmierend“, erläutert Mitautor und Senckenberger Prof. Dr. Karsten Wesche und fährt fort: „In Ostdeutschland verzeichnen wir einen Rückgang der Zikadenbiomasse von 54 Prozent, auf den Flächen in Niedersachsen sogar um 78 Prozent! Sowohl die Individuenzahlen als auch die durchschnittliche Größe der Tiere ist in allen Untersuchungsgebieten geringer geworden.“
Dieser Verlust kann laut des Artikels bereits jetzt „ökosystemare Konsequenzen“ haben: Die an Pflanzen saugenden, zum Teil äußerst häufig auftretenden Zikaden beeinflussen nicht nur die Zusammensetzung und Dynamik der Vegetation, sondern sind auch als Nahrung für andere Tiere im komplexen Nahrungsnetz von großer Bedeutung.

„Interessant ist, dass trotz sinkender Individuenzahlen die Gesamtartenzahl der nachgewiesenen Arten in den untersuchten Trockenrasengebieten leicht, im Feuchtgrünland sogar deutlich gestiegen ist“, so Schuch. Die Arbeitsgruppe erklärt dies durch eine Zunahme der generalistischen Arten, die auch in den zunehmend homogenisierten Lebensräumen zurechtkommen. Der Rückgang der – an bestimmte Habitate gebundenen – Spezialisten kann so kompensiert werden. Wesche ergänzt: „Für das Monitoring und den praktischen Naturschutz hat das beunruhigende Konsequenzen: Häufig werden für Insekten nur die reinen Artnachweise zur Zustandsbewertung herangezogen; die Populationsgrößen bleiben unberücksichtigt. Für die Funktionen im Ökosystems sind aber gerade diese von zentraler Bedeutung!“

Zum Erhalt und Wiederaufbau der Zikadenpopulationen, sollten laut des Teams rasch Maßnahmen in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft umgesetzt werden. Als Beispiele werden der Schutz von Feldrainen, die Extensivierung auf beispielsweise 5 bis 10 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzflächen, die Wiedereinführung von Weidelandschaften und die Reduktion des Pestizideinsatzes genannt.

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