Falter in Bedrängnis: Schmetterlinge reagieren auf Klimawandel
Erwärmung und intensive Landwirtschaft verändern die Biodiversität
Ein Wissenschaftler-Team aus Österreich, Polen und Deutschland, unter ihnen Senckenberger Prof. Dr. Thomas Schmitt, hat die Auswirkungen des Klimawandels auf Tagfalter im österreichischen Bundesland Salzburg im Verlauf der letzten 70 Jahre untersucht. In ihrer nun im Fachjournal „Science of the Total Environment“ erschienenen Studie weisen die Forschenden nach, dass die Schmetterlinge empfindlich auf Klimaveränderungen und intensivierte Landwirtschaft reagieren.
Die Effekte des Klimawandels werden immer spürbarer. Sie führen zur Erhöhung der Jahresmitteltemperatur und außerdem zu einer markanten Zunahme von Wetterextremen, wie Starkregen und Dürren. Der Klimawandel wirkt sich deshalb auch stark auf Pflanzen und Tiere aus, die auf die Veränderungen mit einer zeitlichen und räumlichen Verschiebung reagieren.
Die Wissenschaftler untersuchten die Schmetterlinge im Bundesland Salzburg und analysierten, wie Tagfalter über die letzten sieben Jahrzehnte auf Klimaveränderungen reagiert haben. Dabei zeigt sich, dass sich die mittlere Verbreitungshöhe verschiedener Schmetterlingsarten durchschnittlich um etwa 300 Meter nach oben verschoben hat. Diese räumliche Verschiebung in die höheren Lagen war in den letzten zehn Jahren besonders ausgeprägt. Es ist davon auszugehen, dass die Arten zunächst die Veränderungen des Klimas abpufferten, jedoch bei weiteren klimatischen Veränderungen reagierten und in kühlere Regionen auswichen.
„Wir fanden, dass besonders die mobilen Arten, die noch weitverbreitet sind, auf die klimatischen Veränderungen reagieren“, sagt Prof. Thomas Schmitt, Direktor des Senckenberg Deutschen Entomologischen Instituts und Professor der Universität Potsdam. Hingegen seien sehr spezialisierte Arten meist recht standorttreu. „Sie sind in ihren Lebensräumen gefangen, da die intensiv bewirtschaftete Landschaft eine Wanderung dieser Arten kaum noch zulässt“, so Schmitt. Prof. Jan Christian Habel von der Paris Lodron Universität Salzburg und Erstautor der Studie ergänzt: „Diese Tatsache unterstreicht die dringende Notwendigkeit, die Landschaft durch eine ökologischere Bewirtschaftung und mehr Naturschutzgebiete auch für diese Arten durchlässiger zu gestalten, um auf den Klimawandel reagieren zu können.“ Die Autoren verweisen auch auf die Möglichkeit, dass der Rückzug aus den Tallagen Salzburgs vielleicht nur in einem geringeren Teil auf den Effekten des Klimawandels beruht, sondern vorwiegend auf der massiven Zerstörung des Großteils der hochwertigen Lebensräume in diesen Gunstlagen. Diese seien durch landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Intensivierung, aber auch durch die Ausweitung von Siedlungs-, Industrie- und Verkehrsflächen hervorgerufen. Die Verschiebungen der oberen Verbreitungsgrenzen sehen die Wissenschaftler jedoch ausschließlich als Resultat der klimatischen Veränderungen der letzten Jahrzehnte.
„Unserer Studie liegen umfangreiche Langzeitbeobachtungen von sehr vielen Expert*innen zugrunde“, betont Schmitt, und Habel erklärt weiter: „Solche Langzeitdatensätze sind essenziell, um generelle und valide Trends zu analysieren, da Insekten – wie die Schmetterlinge – starken jährlichen Schwankungen unterliegen.“ Dr. Patrick Gros vom Haus der Natur, Salzburgs Naturkundemuseum, ergänzt: „Für diese Studie haben wir auf etwa 80.000 Datensätze aus der entomologischen Sammlung am Haus der Natur zurückgegriffen. Erst durch die Auswertung wissenschaftlicher Sammlungsbestände werden diese wichtigen Arbeiten für den Naturschutz möglich.“ Damit unterstreicht er auch den großen Wert der Kooperation zwischen Naturkundemuseen – wie dem Haus der Natur – und Universitäten. Gerade solche Zusammenarbeit hilft, die ohnehin sehr wertvollen Sammlungen und Datenbanken wissenschaftlich noch besser in Wert zu setzen. Alle Autoren der Arbeit betonen auch die große Bedeutung von Citizen Scientists für die Gewinnung der Datensätze.
Publikation
Habel, J.C., Ulrich, W., Gros, P., Teucher, M., Schmitt, T. (2023) Butterfly species respond differently to climate warming and land use change in the northern Alps. — Science of the Total Environment 890: 164268. https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2023.164268.