Wolf: bevorzugt Wild
Fressverhalten von Wölfen in der Mongolei untersucht
Gemeinsam mit einer Kollegin der Universität Göttingen hat ein Senckenberg-Team das Fressverhalten von Wölfen in der Mongolei untersucht. Bisherige Studien zeigen, dass sich die Nahrung der großen Beutegreifer im zentralasiatischen Binnenland überwiegend aus Weidevieh zusammensetzt – dies führt zunehmend zu Konflikten zwischen den nomadischen Viehalter*innen und den wildlebenden Raubtieren. Die neue, kürzlich im Fachjournal „Mammalian Biology“, erschienene Studie zeigt nun, dass Wölfe, wenn das Angebot an Wildtieren stimmt, diese auch bei ihrer Jagd bevorzugen.
Mit rund 3 Millionen Einwohner*innen ist die Mongolei der am dünnsten besiedelte Staat der Welt. „Deutlich höher ist die Anzahl von Weidevieh – diese stieg in kurzer Zeit von 25 auf über 40 Millionen Tiere“, erklärt Prof. Dr. Hermann Ansorge vom Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz und fährt fort: „Die Tiere dienen einerseits als Lebensmittel und andererseits auch für über 50 Prozent der Bevölkerung als einzige Einnahmequelle.“
Die Tierhaltung führt in dem Binnenstaat im östlichen Zentralasiens auch zu einem massiven Wandel der Landschaft: Ehemalige naturnahe Landstriche werden zunehmend zu Weideland umfunktioniert. Mittlerweile wird ein Drittel des Landes entsprechend genutzt. „Dieser landschaftliche Wechsel führt unweigerlich auch zu Konflikten mit den dort beheimateten Wildtieren – allen voran mit den großen Raubtieren, wie dem Wolf“, fügt Ansorge hinzu.
In ihrer Masterarbeit hat die Biologin und Forstwissenschaftlerin Nina Tiralla von der Universität Göttingen das Freßverhalten der Wölfe am Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz untersucht. Hierfür analysierte sie gemeinsam mit Maika Holzapfel in der Arbeitsgruppe von Ansorge 137 Wolflosungen, die sie bei Feldarbeiten zwischen 2008 und 2012 in der Mongolei gesammelt hatte. Die Ergebnisse zeigen, dass der Speiseplan der Wölfe zu 89 Prozent aus wilden Huftieren, und dabei überwiegend aus Sibirischen Rehen, besteht. Die restlichen Prozente füllten die Raubtiere mit kleinen Säugetieren, wie Hasen oder Mäusen. „Wir konnten sogar Überreste von Insekten und Beeren in den Losungen nachweisen – von Nutztieren fehlt dagegen jede Spur“, so Ansorge und weiter: „Dies war für uns insofern überraschend, weil bisherige Studien Weidetiere als Hauptnahrungsquelle für die Wölfe aufgezeigt hatten.“
Den entscheidenden Unterschied sehen die Wissenschaftler*innen in der Ausgangssituation: Anders als bei den zurückliegenden Studien zu mongolischen Wölfen, wurden die von ihnen untersuchten Proben in naturnahen Regionen mit hoher Artenvielfalt gesammelt. „Obwohl hier ebenfalls ein Angebot an Weidetieren besteht, scheinen die Wölfe dennoch lieber auf Wildtiere wie das Sibirische Reh als Beutetiere zurückzugreifen“, erläutert Ansorge und begründet dies mit einer gefahrloseren und einfacheren Jagd für die Tiere.
Das Forscher*innen-Team zieht daraus das Fazit, dass Wölfe, wenn sie in einer naturnahen und artenreichen Landschaft mit ausreichend Beutetieren leben, für Weidevieh nur eine sehr geringe Gefahr darstellen. Dies gelte nicht nur für die Mongolei, sondern sei prinzipiell auch auf europäische Länder übertragbar.
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